Bei der Schmerzerfassung ist es wichtig, den Patienten mit einzubeziehen, sich gemeinsam realistische Ziele für die Behandlung zu setzen und eine multimodale Therapie zu planen.
Vor dem Beginn einer erfolgversprechenden Behandlung steht die Aufgabe, die Schmerzen eines Patienten richtig zu erfassen, um den Verlauf der Erkrankung zu erkennen und eine entsprechende Therapie anzuschließen. Der Patient übernimmt dabei eine wichtige, aktive Rolle, indem er sich selbst äußern und seine Einschränkungen beschreiben soll. Dieser Austausch mit dem Arzt kann ihm eventuell sogar helfen, seine Schmerzen besser zu bewältigen. Den Schmerz professionell zu erfassen, erleichtert aber nicht nur die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, sie erleichtert auch die Kommunikation mit Angehörigen und weiteren beteiligten Berufsgruppen.
Klärende Fragen – das Anamnesegespräch1
Im ersten Schritt erfragt der Arzt möglichst viele Informationen zum Schmerz des Patienten. Dabei geht er auf folgende Punkte ein:
- Lokalisation: Wo tritt er auf?
- Zeitpunkt: Wie häufig tritt er auf?
- Morgens, mittags, abends?
- Art: Wie lässt er sich beschreiben? Brennend, ziehend, stechend?
- Intensität: Wie stark ist er? (siehe auch Schmerzassessment)
- Lebensqualität und Beeinträchtigung: Wie sind die Folgen im Alltag?
- Auslöser: Wann hat er begonnen?
- Unfall, Verletzung? Einflussfaktoren: Wie lässt er sich vermindern?
- Wann tritt er vermehrt auf?
- Therapien: Was wurde bisher mit welchem Erfolg durchgeführt?
Selbstauskunft und Fremdeinschätzung
Um den Schmerz und seine Intensität möglichst genau zu erfassen, kann der Arzt die Selbstauskunft oder eine Fremdeinschätzung einholen. Die Selbstauskunft ist der ideale Weg und sollte bei Patienten ohne kognitive Einschränkung immer angewendet werden. Für die Selbstauskunft können Ärzte Schmerzskalen und ein Schmerztagebuch einsetzen. Bei Patienten mit kognitiver Einschränkung – zum Beispiel Demenz-Patienten oder Kinder – wird eine Fremdeinschätzung anhand von Beobachtungsbögen durchgeführt. Diese systematische Einschätzung und Beurteilung von Schmerzen wird auch als Schmerzassessment bezeichnet.
Instrumente für das Schmerzassessment
Mit einer Schmerzskala schätzt ein Patient seine Schmerzen selbst ein und gibt damit seine subjektive Wahrnehmung wieder. Je nach Bedarf gibt es verschiedene Skalen:
Das Schmerztagebuch
Eine weitere Form der Erfassung ist ein Schmerztagebuch, in dem der Patient über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Tageszeiten – in der Regel morgens, mittags, abends – festhält, wie sein Schmerzempfinden ist. Außerdem soll er weitere Punkte dokumentieren wie zum Beispiel Stuhlgang, Müdigkeit, Übelkeit, Schlafstörung und Nachtschmerz. Ein Schmerztagebuch eignet sich besonders für Patienten mit chronischen und wiederkehrenden Schmerzen. Anhand der Aufzeichnungen über einen längeren Zeitraum lässt sich der Therapieplan anpassen.
Das Schmerztagebuch zum Download
Die Beobachtungsbögen
Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, die ihre Schmerzen schlecht oder gar nicht artikulieren können, sind Schmerzskalen nur begrenzt oder nicht einsetzbar. Damit der Arzt sich nicht nur auf seine subjektive Einschätzung und auf die der Angehörigen stützen muss und die Patienten dadurch eventuell eine unzureichende Behandlung erhalten, gibt es Beobachtungsbögen. Mit ihnen lassen sich Verhaltensmerkmale systematisch erfassen, um zu einer angemessenen Beurteilung des Schmerzzustandes zu kommen. Im deutschsprachigen Raum sind die beiden Instrumente BESD und BISAD am gebräuchlichsten, in der Schweiz wurde noch das Instrument ZOPA entwickelt:
Ziel ist es, dass sich der Arzt und der Patient bei der Behandlung der Schmerzen2 als Team verstehen. Das heißt, der Arzt respektiert die Aussagen des Patienten, sieht sie als richtig an und bietet nur an, was möglich ist. Der Patient muss erkennen, dass Schmerzen etwas Normales sind, ein Warnsignal des Körpers.
Damit die Schmerzbehandlung erfolgversprechend ist, sollten Arzt und Patient folgende Schritte der vierstufigen Zusammenarbeit3,6 umsetzen.
Ganzheitlich behandeln – multimodale Schmerztherapie3,4,7
Grundsätzlich gilt für die Behandlung: Schmerzen so schnell wie möglich stoppen, vorhersehbare Schmerzen möglichst ausschalten, eine Chronifizierung vermeiden, die Lebensqualität verbessern und Besonderheiten bei speziellen Patientengruppen berücksichtigen. Das gelingt am besten mithilfe einer multimodalen Schmerztherapie: Diese stellt den Patienten mit seinem Schmerz in den Mittelpunkt, versucht die Ursache seiner Schmerzen zu beseitigen (kausale Therapie), erstellt eine passende medikamentöse Therapie und berücksichtigt je nach Situation eine Physio- sowie eine Psychotherapie.
Das richtige Medikament
Erstellt der Arzt die medikamentöse Therapie, muss er berücksichtigen, dass jeder Patient anders ist. Welcher Wirkstoff ist in welcher Dosierung richtig? Er muss Anwendungsfehler sowie klinisch relevante Interaktionen vermeiden. Bleibt der Therapieerfolg aus, muss er die Ursache finden. Für die Schmerzbehandlung stehen ihm zur Verfügung5:
Chronische Schmerzen – Medikamente richtig einnehmen
Für die Einnahme von Medikamenten bei chronischen Schmerzen gibt es feste Prinzipien3:
- By the mouth = wenn möglich über den Mund (oral) oder transdermal
- By the clock = zu regelmäßigen Zeiten, also keine Einnahme nach Bedarf (Suchtgefahr)
- By the ladder = die Dosierung soll nach dem WHO-Stufenschema erfolgen, Stufen können aber auch übersprungen werden. Am besten zu merken mit: „Durch den Mund“ – „Nach der Uhr“ – „Auf der Leiter“ (= DNA). Außerdem gilt: „For the individual“, die Therapie ist auf den Patienten abgestimmt, Adjuvantien können eingesetzt werden und „Attention to detail“, die Bedürfnisse des Patienten und die multimodale Schmerztherapie sollten berücksichtigt werden.
REFERENZEN
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Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. "Schmerzanamnese." www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/schmerzdiagnostik/schmerz-anamnese (letzter Zugriff April 2020).
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Gallacchi, Giudo und Beatrice Pilger. Schmerzkompendium: Schmerzen verstehen und behandeln. 2. Auflage. Thieme: Stuttgart. 2005.
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E. Beubler, Kompendium der medikamentösen Schmerztherapie: Wirkungen, Nebenwirkungen und Kombinationsmöglichkeiten. DOI 10.1007/ 978-3-7091-1282-3_2, © Springer-Verlag Wien 2012.
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S3-Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. https://www.dgni.de/images/stories/Leitlinien/behandlung_akuter_perioperativer_und_posttraumatischer_schmerzen.pdf (letzter Zugriff April 2020).
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Bitte beachten Sie für konkrete Arzneimittel stets die Gebrauchs-/Fachinformation.
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Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. "Interdisziplinär-multimodale Schmerztherapie." https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/netzwerke-der-versorgung/interdisziplinaer-multimodale-schmerztherapie (letzter Zugriff April 2020).
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Arnold B et al. Multimodale Schmerztherapie. Schmerz 2009; DOI 10.1007/s00482-008-0741-x.